Warum Burgen?
- jasminatomc
- 10. Mai 2020
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Mai 2020
Wo sich mächtige, graue Mauern von bewaldeten Hügeln in den blauen Himmel erheben und die Natur sich längst vergessene und verfallene Steine zurück erobert, entsteht die Burgen-Faszination...
Jedes Mal wenn ich jemandem von meinem Hobby erzähle, bekomme ich die gleiche Frage: Warum interessiert dich das so?
Die nicht ganz ernst gemeinte Theorie, ich sei in einem früheren Leben ein Burgfräulein gewesen, bringt mich inzwischen nur mehr zum Lachen.
Ich finde, dass Burgen und Schlösser eine der mächtigsten und am meisten überwältigenden Bauleistungen der Menschheit darstellen. Mit ihren massiven Wehrmauern, riesigen und prachtvoll geschmückten Räumlichkeiten und strategisch genial ausgewählten Lagen haben sie lange Jahrhunderte der menschlichen Geschichte überdauert, zahlreichen Kriegen, Krankheiten und Naturkatastrophen widerstanden und unzähligen dramatischen, glücklichen, siegreichen und tragischen persönlichen Schicksalen mitgelauscht. Sie boten Schutz, Heim und Sicherheit, als der Rest der Welt in Flammen und Blutströmen unterging.
Burgen sind stille Sprecher der Vergangenheit und bei jedem Besuch kann man sich nur vorstellen, was diese alten, oft leider schon verfallenen Mauern alles miterlebt haben, welchen lebensverändernden Gesprächen gelauscht, wie viel Schmerz, Leiden und Freude mitbeobachtet haben. Diese Mauern haben Feinde abgewehrt und Liebenden ein kuscheliges Nest geboten. Sie waren repräsentative Adelssitze, die die Macht der regierenden Familien schon von weit in die Ferne ausstrahlten. Auch heute noch dominieren ihre Mauern und Türme viele Hügel und strategisch wichtige Punkte in der Landschaft.
Und zu guter Letzt – für mich als fanatisch leidenschaftliche Hobbyfotografin sind sie ein unglaublicher Augenschmaus für mein Kameraobjektiv :) .

Burg Hardegg, Thayatal im Waldviertel, Niederösterreich
Faszination Burgen ist heute noch vorhanden, bei Kindern sowie bei Erwachsenen. Zahlreiche Burgen, Schlösser, Paläste sind sehr gut erhalten, wurden aufwändig restauriert oder wieder aufgebaut.
Mit verschiedenen touristischen Attraktionen wird versucht, das Leben auf den Burgen den Kindern näher zu bringen. So lernen spätere Generationen über die Geschichte, unsere Vorfahren, die Region und Kultur. Sie werden modern ausgestattet, um große Besuchermengen empfangen zu können. Das Angebot wird erweitert, Kanonen werden zu Kletteranlagen, im mittelalterlichen Burghof wird Pommes mit Ketchup serviert, damit auch Familien mit Kindern angelockt werden. „Erlebnisburg“ – eine ganz moderne, kinderfreundliche Methode, etwas Geld für die teure Erhaltung zurück in die Kasse fließen zu lassen. Wir lernen über ein Leben ohne Elektrizität, ohne Wasserleitung und Kanalisation, ohne Heizung. Es ist immer interessant, bei einer Burgführung in einer mittelalterlichen Toilette durch das Loch in der Holzbank zu schauen und sich vorstellen, wie alles die Felsen ein paar hundert Meter in die Tiefe flog.
Zum Glück gibt es auch sehr naturverbundene Attraktionen, die teilweise auch historisch gesehen an Burgen gebunden sind, dazu zählen für Besucher zugängliche Tierparks und Vorstellungen mit Greifvögeln. Beide sind eine abwechslungsreiche Herausforderung für meine Kamera und meine Fähigkeiten in der Fotografie.
Das Spannendste von Allem sind aber unzählige Geschichten über Schicksale, die in den mächtigen Bauten besiegelt wurden, sie wurden besiegelt in den prachtvollen Zimmern, den unendlich langen Gängen, unter griechischen Säulen und wertvollen Kronleuchtern, in lichtdurchströmten Sälen, bei tiefen Brunnen und nicht zuletzt in den dunklen, kalten Kellern und Verliesen, die nach Folter, Blut und Tod riechen. Auch die grausamen Jahre des Mittelalters sind untrennbar mit der Geschichte der Burgen verflochten und sollen heute als Warnung dienen, damit die Menschen die gleichen Fehler und Gräuel nicht wiederholen. Ich spüre immer noch eiskalte Gänsehaut, wenn ich an die zahlreichen besichtigten Folterkammern und Burgverliese denke.
Schloss Ruegers in Niederösterreich und Burg Riegersburg in der Steiermark
Manchmal sind aber glänzend erhaltenes Mobiliar und atemberaubende Kunst ein seltenes Privileg, die nur sehr engagierten Burgherr/Innen zu verdanken ist.
Leider sind viele der früher mächtigen Gebäude dem Verfall überlassen. Das wertvolle Baumaterial wird verwendet, um die zerstörten Dörfer und Städte zu sanieren und wieder aufzubauen. Ganze Teile der Mauern und Dächern werden abgetragen und es bleiben nur mehr Schütthaufen und einige umhergeworfene Ziegelsteine übrig. Auch von Feuer und Kanonenkugeln wurden die Burgen oft nicht verschont, besonders da oft ganze Teile der Burgen aus Holz gebaut waren. Also befinde ich mich dann tief im dunklen Wald und suche fiebrig nach den letzten Spuren der leisen Stimmen der Vergangenheit. Oft führt nur ein schmaler, kaum erkennbarer Eselspfad durch volle Büsche und hohe Gräser. Auf fast jeder solchen Schatzsuche sind Brennnesseln, Spinnen und Zecken meine treuen Begleiter. Und dann endlich erblickt man sie – mit einem erfahrenen Adlerblick die dichten Zweige und Unterholz hindurch.
Verfallene, mit Moos und Zweigen verwachsene Mauern, eingestürzte Dächer und Decken, aus den Löchern brechen Baumwurzeln und übermäßig starke Pflanzen aus. Ein unsterblicher Haufen Gestein und Ziegel, der schon im tiefen Unterholz und Farn versinkt und das Unkraut langsam seine stummen, verzweifelten Schreie nach Freiheit und Wahrheit über die Vergangenheit erstickt. Die Luft riecht nach feuchter Erde und Staub.
Hohe Mauern und übrig gebliebene Türme, die sich in die reichen grünen Baumkronen erheben oder sogar über die Bäume weit in die Landschaft hinwegschauen, sie summen noch verträumt das Lied der längst verflogenen Epochen, als die kräftigen Mauern noch die Natur bewältigten und fern hielten und menschliche Füße den mit weichen Teppichen bedeckten, festen Boden streichelten. Ein Lied von einem längst vergessenen Zeitalter, eine Melodie erklingt durch die traurigen Reste einer prachtvollen Geschichte. Nur einzelne Sonnenstrahlen erreichen noch die äußeren Teile der Ruinen, im Inneren der Räume herrscht geheimnisvolle und fast bedrohliche Dunkelheit und ein modriger, stickiger Geruch erfüllt die schwere, kalte Luft.
Dort ist man meistens wirklich allein – ganz allein und einsam, umkreist von den Geistern der Vergangenheit, dem Schatten und dem erlösenden Licht, bezaubert von leisem Singen des Windes, vom Rauschen der Blätter und vom gedämpften Klang des Vogelgesangs, der von weit oben aus dem sicheren Schutz der mütterlichen Baumkronen durchdringt.
Genau dort, in dieser stillen Einsamkeit, in die kaum noch ein menschlicher Fuß den Schritt setzt und nur die Waldtiere manchmal vorbei schnuppern, genau dort fühlt man mit jeder Sehne des Körpers, wie die Natur langsam, aber entschlossen das zurück erobert, was ihr mit Gewalt genommen wurde. Gnadenlos fordert Mutter Natur den Platz zurück, dem sie mal für den Bau adeliger Sitze weichen musste. Kräftig und weich zugleich schlängeln sich Wurzeln und Zweige der Bäume, des Unkrauts, der niedrigen Büsche und anderer Pflanzen zwischen den gebrochenen Steinen hindurch. Die langen, feuchten, kühlen Mauern bieten ein angenehmes Zuhause für samtweiches, strahlend grünes Moos. Die scharfen Mauerspitzen werfen gruselige, kühle Schatten auf die weiten Wiesen und Waldlichtungen und regen heute noch die Fantasie mit den verspielten Bildern und Formen.
Und genau hier findet man doch immer ein kleines, verstecktes Wunder. Einen winzigen Schatz, den man danach für immer im Herzen trägt. Ein Bogen, ein verblasstes Decken- oder Wandfresko, ein gotisches Fenster, eine Mauernische, ein paar Säulen, schon stark durchlöchert, ein Metallgitter, ein Sonnenstrahl, der schüchtern in den tiefdunklen Keller kuckt. Und die Schatzsuche hat sich gelohnt.

Ruine Bad Gleichenberg, Steiermark Es gibt noch ein Grund, warum ich die Burgen über alles liebe und warum sich jeder auch noch so steiler und anstrengender Aufstieg lohnt.
Viele Burgen wurden an Stellen gebaut, wo die Menschen besonders angenehme Energie gespürt haben. Das fühlt man oft heute noch. Ein Beispiel für eine so gute Energie ist für mich eine meiner Lieblingsruinen, Ruine Kirchschlag in der Buckligen Welt. Schon oft bin ich auf einem der Wächtertürme gesessen und habe so manches privates Problem oder Blockade gelöst. Einfach da oben unter den Wolken die Stille und die Ruhe genossen und mich von den Energien der alten Mauern treiben lassen. Unten zieht der Alltag mit dem leisen Stadtverkehr vorbei, die Parkplätze der Lebensmittelgeschäfte füllen sich, die Ampeln wechseln die Farben, am Nachbarhügel verdauen die Kühe faul das tiefgrüne, leckere Gras, aber da oben steht die Welt still. Als ob die Zeit angehalten hätte und nur die weißen Wölkchen ziehen am blauen Himmel vorbei. Die warmen Sonnenstrahlen streicheln die Haut und ein zärtlicher Wind pfeift flüsternd durch die winzigen Löcher in den alten, Respekt einflößenden Mauern. Jeder Stein erzählt eine Geschichte, von Liebe, von Tod, von erfolglosen Belagerungen und der starken Kraft, die für alle Ewigkeiten aus dem Tal über die Grenzen der Buckligen Welt mit ihren weichen, grünen Hügeln hinaus strahlt.

Burgruine Kirchschlag in der Buckligen Welt, Niederösterreich
Mächtig, überheblich, stolz, einsam – stellen Burgen Fenster in die neblige Vergangenheit dar. Hoch auf den Felsen bieten sie Überblick über die breite Landschaft, der Ausblick reicht oft über mehrere Kilometer hinaus.
So erfüllen sie heute noch einen beachtlichen Teil ihrer Funktion – sie erwecken Ehrfurcht und Interesse und bringen den Betrachter zum Staunen.
Die Burgen haben Jahrhunderte überdauert und dabei leise und mit stiller Neugier beobachtet, wie die Jahreszeiten vorbei fliegen, die Welt rund herum wandelt sich, die Landschaft verändert sich immer schneller und immer radikaler. Nur sie, die Burgen, Schlösser, Ruinen, Paläste, Festungen – sie bleiben standhaft, kräftig und unverletzlich, unbeugsam trotzen sie jedem Sturm. Und so was kann man nichts anderes als lieben, von ganzem Herzen, leidenschaftlich und ewig.
Meine unvergessliche Reise hat bereits begonnen und die möchte ich mit dir teilen, lieber Leser. Um hoffentlich auch in dir diese unendliche Liebe spüren zu lassen.
Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, Und neues Leben blüht aus den Ruinen.
(Friedrich von Schiller)
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